Kritiken
Winnie Geipert (Strandgut, Frankfurt am Main)
Große Kunst für die Kleinen
Theaterhaus: La Senty Menti zeigt »zitronengelbundgrünwieklee«
Im Nachhinein kommt es einem wie ein kleines Wunder vor. Eine gute Stunde lang verfolgen die Kinder mit großen Augen und gespitzten Ohren weltvergessen, wenn auch selten still das neue Solo »zitronengelbundgrünwieklee« der Frankfurter Kindertheatermacherin Liora Hilb. Das kleine Wunder geht auf die altersübergreifende Faszination dieses Stückes, das Hilb für ihr Label »La Senty Menti« mit ihren Kasseler Partnern Helga Zülch (Regie), Werner Zülch und Axel Kretschmer (Klang) entwickelte. Denn weit davon entfernt, irgendeine spannende Geschichte zu erzählen, könnte man diese »Theatercollage für Kinder und Erwachsene« auch als performative Lyrik-Matinee auf Basis sprachkünstlerischer Meisterwerke von Christian Morgenstern bis Ernst Jandl begreifen – mit Haribo-Effekt.
Gottlob denken Kinder in anderen Mustern und Begrifflichkeiten, wenn Liora Hilb mit einer hochgestülpten braunen Tüte auf dem Kopf im breitgeschichteten schreigelben Tüll (mit ein paar kleegrünen Lagen) auf der nicht minder schreigelben Bühne mit rudernden Armen auf ihren Rollschuhen aufrollt. 15 Gedichte bereitet dieser nie zur Ruhe kommende Derwisch und Springinsfeld für ihre gebannten Zuhörer auf und verzichtet dabei auf jede anbiedernde Moderation. Nicht alle sind leicht, nicht alle sind lieb oder lustig. Doch scheint es auf der Stufenleiter zwischen fasziniertem Staunen, vagem Ahnen und verständigem Wissen für jedes einzelne Alter – Eltern inbegriffen– einen Modus Vivendi des Rezipierens zu geben. Ob es nun Ernst Jandls populäres Gedicht »Eulen« ist, oder Inge Meyer-Dietrichs Mutti-Schimpfe, die mit »Mama, du bist heute blöd« durchaus Kindererfahrungen wiederspiegelt, oder Wolfgang Mennels Zählverse mit der »tomatenblauen Krawatte« – die Texte kommen an.
Allerdings sorgen nicht nur die wundersamen Wort-Jonglagen, sondern auch die seltsamen Geräusche und Instrumente für geballte Aufmerksamkeit. Gedicht um Gedicht wird mit den erstaunlichsten Klangobjekten zelebriert, die der Kasseler Künstler und Musikperformer Axel Kretschmer aus Alltagsgegenständen entwickelt. Mal zieht Liora deklamierend eine grausilberne Bettwärmeflasche auf klapprigen Laufrädchen hinter sich her, mal lässt sie einen alten Wecker so lang tosend Alarm schlagen, bis ein Nonsens-Reim von Hans Adolf Halbey in das Lärmfenster passt. Mal dreht sie – für Ernst Jandls »Eulen« – mit einem unheimlichen Sirren ein mit einem dicken Einmachgummi bespannten Propeller. Dass Liora Hilb es prima versteht, ihre jungen Zuschauer mit ihrem vielseitigen Minenspiel am Zauber der Sprache und Worte teilhaben zu lassen, hat freilich seine Schattenseiten. Von dieser seltsamen Person, die so schnell von bitterbös nach lustig kann, eine Abschiedstüte zu nehmen, in die man ein Gedicht sprechen kann, das trauen sich denn doch nur zwei.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.11.2013
Wortspiele und Klangspiele
„zitronengelbundgrünwieklee“ im Theaterhaus
Soooo traurig ist sie, dass ihr der Kopf fast vom Hals fällt! Die Kinder allerdings glauben das nicht ganz. Und auch Liora Hilb muss, nach nicht allzu langer Zeit mit herabgesenkten Mundwinkeln, kichern. Kindliche Stimmungen und rasche Stimmungswechsel prägen das neue Ein-Personen-Stück der Schauspielerin, die als Theater La Sentymenti seit Jahren zur hiesigen Kindertheaterszene zählt.
Kein Stück oder eine Geschichte, sondern Gedichte, Wortspiele, Klangspiele von Christian Morgenstern, Ernst Jandl, Jürg Schubiger und anderen hat sie für „zitronengelbundgrünwieklee“ im Theaterhaus Frankfurt zusammengestellt. Blühender Nonsens ist dabei, der die Kinder von vier Jahren an zum Glucksen und die Größeren und Großen zum Lächeln bringt, dazwischen ein paar Nachdenklichkeiten wie das Gedicht über „Mama, du bist heute blöde, du bist heute doof“ oder eben jenes über das Traurigsein.
Die Inszenierung, die mit Helga Zülch als Regisseurin und Werner Zülch als Bühnenbildner zwei erfahrene Kollegen vom Aktionstheater Kassel übernommen haben, profitiert ungemein von den zauberhaften Klangobjekten von Axel Kretschmer. Eine klappernde alte Blechwärmflasche auf Rädern, ein sausender Klang-Propeller aus Einmachgummis oder ein alter Kochtopf, der mit einem Holzklöppel zum Metallofon wird, begleiten und strukturieren Hilbs Vortrag. In ein weites zitronengelb-kleegrünes Chiffonkleid gewandet, hüpft, tanzt und stampft Hilb in ihrem leuchtend gelben Bühnenraum, holt immer neue Objekte und Worte hinter Stellwänden hervor.
…..alle freuen sich über das, was sie am Ausgang mit nach Hause nehmen können: Eine Papiertüte und die Aufforderung: Sprich ein Gedicht von einem Schwein hinein, binde die Tüte zu – und verschenke das Gedicht.