Kritiken
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 9.11.2004
GLÜCKSSCHUHE, PECHSCHUHE
THEATER LA SENTY MENTI
Kein Vorhang, der aufgeht, keine Kulisse mit Schlössern und Burgen. Nur eine ockergelbe Filzdecke liegt auf dem schwarzen Fußboden im Freien Theaterhaus Frankfurt: „Es war einmal ein König“, erzählt ein Wesen mit goldener Krone, tänzelt barfuß über die Decke und faltet sie auseinander, fertig ist die Bühne – „der herrschte gütig und gerecht über sein Land.“ Leuchtende Kinderaugen verfolgen die Märchenfigur, warten auf die anderen Schauspieler. Kommt denn keiner mehr?
So einfach die Story, so bestechend die Idee, so virtuos die Ausführung: Schauspielerin Liora Hilb meistert das ganze Stück namens „Das Glück wie das Pech“ allein. Mit jedem Paar Schuhe, in das sie schlüpft, wechselt sie die Rolle. Hochhackige Schläppchen für die Königin, spitze Halbschuhe für den König, klobige Sandalen für Sfortuna. Ruckediguh, sie paßt einfach in jeden Schuh! Und dazu immer wieder der bauschige rote Pelz, der sich in ihren Händen flugs von einem Königsgewand in ein Kaminfeuer verwandelt.
Aus verschiedenen Versionen eines sizilianischen Märchens hat das Theater La Senty Menti ein wunderbares Kindertheater gebastelt, das für Kinder von sechs Jahren an gedacht ist. Prinzessin Sfortuna ist die jüngste der sieben Töchter des guten Herrschers, doch leider, Nomen est omen: Der König wird verjagt, die Familie hungert, und schuld daran ist – wie die Hellseherin weiß – die geliebte, aber unglückbringende Tochter. Sfortuna muß fort und zieht in die weite Welt, die ihr nicht wohlgesinnt begegnet.
Alle kuriosen Gestalten, die das Prinzeßlein auf ihrem Weg durch Traum und Zeit trifft, Hexe wie Amme bringt Hilb in ihrer Schuhkollektion unter. Ebenso flink wie mit den Füßen ist die Solokünstlerin auch mit der Zunge und beläßt es nicht beim grobschlächtigen Hessisch des Krämers: Mit schallendem Gelächter quittieren Erwachsene wie Kinder ihre italienischen Schimpfkanonaden.
Am Ende gelingt es dem Pechmariechen, die „Schicksalsfrau“ zu überreden, ihr einen neuen Namen zu geben: Aus Sfortuna wird Fortunata, die Glückliche. Und auch dieser Name hält bereit, was er verspricht, nämlich ein Happy-End mit dem Prinzen: Zwei Schuhpaare stehen Spitze an Spitze.
Frankfurter Rundschau vom 13. 11. 2004
SOLO MIT VIELEN SCHUHEN
Sie ist gigantisch einfach und einleuchtend, die Idee, die Liora Hilb – die ganz allein das „Theater La Senty Menti“ ist – und ihre Regisseurin Ania Michaelis hatten für die Inszenierung des sizilianischen Märchens Das Glück wie das Pech, eine Aufführung, die für Kinder ab sechs Jahren gedacht ist. Schuhpaare stehen stellvertretend für all die Figuren, die Hilb darstellen muss, am Spielfeld-Rand. Und werden je nach Bedarf im wahrsten Sinn des Worts in Gang gesetzt. Dann braucht es nur noch einen blutroten Webpelz, eine Krone, eine andere Körperhaltung, einen neuen Tonfall, eine Schnute, ein Augenrollen, ein Stirnrunzeln und was der Mimik mehr ist, um eine ganze Märchen-Besetzung zum Leben zu erwecken. Halt, etwas noch: Liora Hilb lässt Prinzessin Fortunata – die Hauptfigur – in der Ferne auf fix Italienisch sprechende Weberinnen und einen furios Hessisch babbelnden Krämer treffen. Und obwohl man da meinen könnte, das macht nur den Erwachsenen im Publikum Spaß, schienen sich auch die Kinder durchaus zu amüsieren über die fremden Wörter, die ihnen da um die Ohren flogen.
Frankfurter Neue Presse vom 13.11.2004
MANCHMAL ENTSCHEIDET EIN BUCHSTABE
Liora Hilb führt in der Regie von Ania Michaelis (Theater La Senty Menti) im Freien Theaterhaus Frankfurt das sizilianische Märchen „das Glück wie das Pech“ auf.
Die Bühne ist ein Spielbrett, nein: zwei Spielbretter. Erst eines im gewohnten Format: Bevor es losgeht, versucht die Solodarstellerin hier würfelnd ihr Glück. Spiel, nur Spiel? Nicht ganz. Denn als sie den Boden, auf dem sie hockte, zur Bühne auffaltet, entpuppt sich die als Vergrößerung des Brettes. Glück, und Glückswechsel, gibt es also im Kleinen wie Großen: im Spiel, aber auch im Leben, dem es ja Modell steht. Oft ist der Weg viel kürzer, als man denkt. Im Italienischen, das Liora Hilb sehr gut und gern hervorsprudelt, um dem Märchen Original-Flair zu erhalten (kein Italienisch aus Sizilien zwar), entscheidet oft ein einziger Buchstabe über Eins und sein Gegenteil , Glück und Unglück. Weil an der jüngsten Prinzessin einer gerade «entkönigten» Königsfamilie das Pech klebt, heißt sie anfangs «Sfortuna»: Unglück. Wie sie auf den guten Rat einer jiddisch sprechenden Alten verstoßen wird, aber unter Abenteuern das negative «S» abstreift, sich dank ihrer Amme in Fortunata verwandelt und natürlich den Prinzen angelt – davon erzählt Liora Hilb.
Sie tut das im ruhigen Ton der Märchenerzählerin, schlüpft aber in immer neue Rollen. Aus den Schuhpaaren am Rand zaubert sie ihre sechs Schwestern hervor, mit den großen Spielkarten legt sie sich das vermeintliche Schicksal und bringt unter viel Applaus das Kunststück zuwege, die Pik-Sieben zu mischen und die richtige Karte zu erraten – Überraschung, Pik-Sieben! Mehr als eine flauschige rote Jacke, die zugleich als Kellermonster oder Schicksalshexe taugt, als Puder und blaues Konfetti, das als Märchen-Währungseinheit «Unzen» dient (ein hörbar beeindruckender Reichtum für einige den Atem anhaltende Kinder), als den karnevalesken Stab mit Stoffstreifen und noch ein paar Requisiten hat sie nicht. Und braucht sie nicht. Denn Liora Hilb weiß wunderbar damit zu zaubern – bis zum süßen Ende.
UNHEIMLICHE BÜHNENZAUBEREI
„Das Glück wie das Pech“, ein Würfelspiel? Eine Spieleröffnung en minature. Doch schon bald hat das Frankfurter Theater La Senty Menti den Spielteppich aus Sizilien auf Bühnengröße aufgeklappt. Ein Spielteppich als Grundlage, die Personen durch Schuhe symbolisiert: ein Fuß geht mit dem anderen mit. Mit großem Repertoire der Schauspielerin und mit vielen köstlichen Ideen entwickelt sich das phantasievolle Spiel der Figuren…..Komik, Slapstick, Sprachwitz trifft auf heftige Resonanz….so endet das Spiel mit einem wunderschön drapierten Schlussbild und mit einem überraschendem Erzählende.